Auf meiner Karte finde ich zwar weder Granges noch
Montoz, folge aber dennoch der entsprechenden Beschilderung aus
Court heraus nach Süden und bin schwer begeistert: Es folgt
eine formidable Kletterei auf einer knackigen (über weite Strecken
12 bis 15 Prozent), tadellos asphaltierten und kaum befahrenen Straße
zum Grenchenberg. Die Landschaft hier oben ist wieder mustergültig
romantisch, und um den Genuss noch zu steigern, gibt es vor der
Abfahrt ins Aaretal einen leckeren Zwetschgenkuchen.
Für den Rest des Tages muss ich zwar auf nennenswerte
Steigungen verzichten, aber wirklich flach ist es um Bern herum
auch nicht: Kurz hinter Büren beginnt ein kontinuierliches
Auf und Ab auf schmalen Landstraßen, hin und wieder garniert
mit Alpenblick. Eigentlich möchte ich die Etappe schon in Laupen
beschließen, aber das einzige Hotel am Platz ist noch nicht
geöffnet. Ein reizendes Café in der Altstadt hingegen
schon; deshalb noch einen Apfelstrudel mit Zimteis, bevor ich der
Radroute am Sense-Ufer bis Flamatt folge. Hier gibts sogar
Auswahl beim Übernachtungsangebot. Ich entscheide mich für
das ultramoderne Hotel
Flamatt, das statt echter Rezeption nur eine Telefonverbindung
zum zugehörigen Bistro hundert Meter weiter hat (dessen anständiges
Speisen- und Getränkeangebot ich im Laufe des Abends zu würdigen
weiß). Eine Garage hats auch nicht, aber ich dürfte
mein Velo sogar mit ins Zimmer nehmen. Letztlich wird es aber im
hinreichend geräumigen Treppenhaus angeschlossen.
Flamatt Schwarzenburg Riffenmatt
Ottenleuebad Schwarzsee Euschelspass
Jaun Chalet Grat/Gastlosen; 68 km, 2400 Hm
Zum Frühstück erscheint hier ebenfalls
kein Service-Personal, und an der Bedienung der seltsam beschrifteten
Jura Impressa drohen auch die übrigen Hotelgäste zu verzweifeln.
Irgendwann kommt aber doch so was wie Kaffee raus und weckt die
Lebensgeister für eine wundervolle Etappe:
Lockerem Einrollen durch eine Bilderbuchidylle bis
Riffenmatt (nur hinter der Ruchmülibrücke bringt ein halber
Kilometer à 16% Steigung den Puls auf Trab) folgt ein fast
schon alpines Serpentinensträßchen in die höheren
Lagen des Egg-Massivs. Von hier oben lässt sich bei Kaiserwetter
die nächste Herausforderung des Tages bereits erahnen, bevor
es zunächst anfangs geschottert, aber immer gut zu fahren
ins Tal der Kalten Sense hinab- und geruhsam zum Schwarzsee
hinaufgeht, einem kleinen Juwel, das auch ausgangs der Hauptsaison
noch sehr gut besucht ist.
Habe ich einen Knick in der Optik, oder
gibt es an der Nordseite des Schwarzsees wirklich keinen öffentlichen
Brunnen, und ist das Leitungswasser hier wirklich nur gefiltert
genießbar? Muss ich halt die Kellnerin im Gartencafé
becircen
Reichlich Wasservorrat ist allerdings unabdingbar,
denn der Euschelspass ist in Nord-Süd-Richtung durchaus schweißtreibend:
Gleich der Einstieg hält bei Steigungsspitzen
über 30 Prozent auf derbem Schotter ein paar Schiebepassagen
bereit, was aber nicht weiter stört, weil so der Blick entspannter
durch diese prächtige Landschaft schweifen kann als im Wiegetritt.
Die obere Hälfte des Anstiegs lässt sich trotz schwierigen
Untergrundes mit etwas Konzentration gut fahren, und mein Lastesel
und ich ziehen die wortreiche Bewunderung etlicher Wanderer auf
uns.
Am Scheitelpunkt der Piste genieße ich erst
mal die Spätnachmittagssonne, bevor ich mich auf der Abfahrt
nach Jaun darüber freue, den Euschelspass richtigrum
bewältigt zu haben: Die Südseite ist (mäßig)
asphaltiert und nicht sonderlich steil, die einzige Herausforderung
bergauf bestünde in der Sonneneinstrahlung.
Da es früh am Tag ist, mag ich mir in Jaun noch
keine Unterkunft suchen und rolle gemütlich weiter in Richtung
des gleichnamigen Passes. Dann lockt mich jedoch das Hinweisschild
nach Abländschen: Ich erinnere mich nämlich an einen Tour-Artikel
vor etlichen Jahren, in dem Abländschen als Oase der Ruhe beschrieben
wurde, und nach dem Autobahnpanorama aus meinem Zimmer im Hotel
Flamatt kann mir das nur recht sein
Aber es soll sogar noch besser kommen: Nach ein paar
Kilometern längs des Baches zweigt eine schmale Straße
nach rechts ab, die laut Beschilderung zum Chalet Grat führt.
Ich habe keine Ahnung, was mich erwartet (zumal meine Landkarte
bei Jaun aufhört), aber noch nicht genug Höhenmeter für
heute in den Beinen, also los! Und diese spontane Entscheidung erweist
sich als goldrichtig:
Es folgen fünf bis sechs Kilometer à
durchschnittlich zehn Prozent Steigung bei phänomenaler Aussicht,
bis die Straße auf 1642 Metern abrupt am Fuß der zerklüfteten
Gastlosen-Kette und bei besagtem Chalet Grat (Kontakt siehe jaun.ch)
endet: einem kleinen Bauernhof mit Matratzenlager direkt überm
Kuhstall, Wasser aus der Schüssel, Licht aus der Taschenlampe
und wunderbaren Gastgebern. Als Anzahlung aufs
Abendessen genieße ich auf der Terrasse einen phantastischen
frischen Tomme de Chèvre von der Alm gegenüber, und
später gibt es dann noch Käse aus eigener Herstellung:
Bei angeregter Plauderei und einer Flasche Fendant zum köstlichen
Fondue klingt ein Tag aus, der auch nach all den tollen Bergetappen
der vergangenen zehn Jahre etwas ganz Besonderes bleiben wird.
|